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Göttliche Ewigkeit

Reasonable FaithWilliam Lane CraigMontag, 14.11.2022
51 Min.
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Beschreibung

Was genau bedeutet es, dass Gott "ewig" ist?

„Gott“, erklärt der Prophet Jesaja, ist „der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt“ (Jes 57,15). Doch da er ein Prophet und kein philosophischer Theologe war, hielt Jesaja nicht inne, um über die Natur der göttlichen Ewigkeit nachzudenken. Ewig zu sein, bedeutet minimal, ohne Anfang und ohne Ende zu sein. Zu sagen, dass Gott ewig ist, bedeutet zumindest, dass er nie anfing, zu sein, und nie aufhören wird, zu sein. Ewig zu existieren, heißt, permanent zu existieren. [1]

Es gibt jedoch mindestens zwei Arten, wie etwas ewig existieren könnte. Eine Art wäre, omnitemporal in der unendlichen Zeit zu existieren. In diesem Fall hätte Gott von je her eine immerwährende temporale Dauer. Die andere Art, in der ein Wesen ewig existieren könnte, wäre, zeitlos zu existieren. In diesem Fall würde Gott die Zeit vollständig transzendieren, indem er weder einen temporalen Ort noch eine temporale Ausdehnung hätte. Er würde einfach in einem undifferenzierten, zeitlosen Zustand existieren.

Wenn wir die Bibel als Orientierungsgrundlage für Fragen der Theologie nehmen, ist die erste Frage, die wir stellen müssen: Spricht die biblische Lehre über die göttliche Ewigkeit eher für die eine oder eher für die andere dieser Auffassungen? Es stellt sich heraus, dass diese Frage überraschend schwierig zu beantworten ist. Auf der einen Seite ist unbestreitbar, dass die biblischen Verfasser Gott typischerweise als den schildern, der in temporalen Aktivitäten tätig ist, unter anderem durch sein Vorauswissen der Zukunft und seine Erinnerung an die Vergangenheit; und wenn sie direkt von Gottes ewiger Existenz sprechen, tun sie es in Begriffen der Anfangslosigkeit und der endlosen temporalen Dauer. Doch die Angaben sind nicht völlig einseitig. Es gibt zumindest einige Belege dafür, dass Gott, wenn er in seiner Beziehung zur Schöpfung betrachtet wird, als transzendenter Schöpfer der Zeit und der Zeitalter zu verstehen ist, der somit außerhalb der Zeit existiert (1 Mo 1,1; Spr 8,22-23; 1 Kor 2,7; 2 Tim 1,9; Tit 1,2-3; Judas 25). Die biblischen Angaben sind also nicht ausreichend determinativ, und man scheint gezwungen, mit James Barr den Schluss zu ziehen: „Wenn so etwas wie eine christliche Lehre der Zeit entwickelt werden soll, dann muss das Werk, sie zu erörtern und zu entwickeln, Aufgabe nicht der biblischen, sondern der philosophischen Theologie sein.“ [2]

Die Frage, um die es hier geht, ist Gottes Beziehung zur Zeit: Existiert Gott temporal oder atemporal? Gott existiert dann und nur dann temporal, wenn er in der Zeit existiert, das heißt, dann und nur dann, wenn seine Dauer Phasen hat, die als früher oder später im Verhältnis zueinander stehen. In diesem Fall hat Gott als ein personales Wesen empirisch eine Vergangenheit, eine Gegenwart und eine Zukunft. Ganz gleich, welchen Moment der Zeit wir herausgreifen: Angesichts der Permanenz Gottes wäre die Aussage: „Gott existiert jetzt“ – wenn wir sie treffen würden – buchstäblich wahr.

Im Gegensatz dazu existiert Gott dann und nur dann atemporal, wenn er nicht temporal ist. Diese Definition zeigt, dass Temporalität und Zeitlosigkeit im Widerspruch stehen: Eine Entität muss auf die eine oder die andere Weise existieren und kann nicht gleichzeitig auf beide Weisen existieren. Wenn Gott also atemporal existiert, hat er keine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Zu jedem Moment...

Fortsetzung hier: https://de.reasonablefaith.org/schriften/wissenschaftliche-schriften/goettliche-ewigkeit.