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Der Große Entwurf— Wahrheit oder Fiktion?

Reasonable FaithWilliam Lane CraigMontag, 31.1.2022
14 Min.
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Beschreibung

Nach Stephen Hawkings Auffassung war der Urknall ein natürliches Ereignis, das ohne die Hilfe oder Beteiligung Gottes geschah. Damit löste Hawkings und Mlodinows neues Buch einen Paukenschlag unter Laien aus. Doch wie sehen die Schlussfolgerungen dieser Autoren aus? Wie zutreffend sind sie?

Der Große Entwurf und die Philosophie

Stephen Hawking und Leonard Mlodinow beginnen ihr Buch Der Große Entwurf mit einer Reihe tiefgründiger Fragen: „Was ist das Wesen der Wirklichkeit? Woher kommt das alles? Brauchte das Universum einen Schöpfer?“ Dann sagen sie: „Traditionell sind das Fragen für die Philosophie, doch die Philosophie ist tot. Sie hat mit den neueren Entwicklungen in der Naturwissenschaft, vor allem in der Physik, nicht Schritt gehalten. Jetzt sind es die Naturwissenschaftler, die mit ihren Entdeckungen die Suche nach Erkenntnis voranbringen.“ [1]

Ein professioneller Philosoph kann über die Dreistigkeit und Überheblichkeit einer solchen Aussage nur den Kopf schütteln. Zwei Wissenschaftler, die allem Anschein nach mit Philosophie wenig vertraut sind, finden sich bereit, eine ganze Fachrichtung für tot zu erklären und die Kollegen ihrer eigenen philosophischen Fakultäten am Cal Tech [2] und an der Universität Cambridge zu beleidigen – von denen viele, wie Michael Redhead und D.H. Mellor, herausragende Wissenschaftsphilosophen sind –, weil sie angeblich nicht Schritt gehalten haben.

Ein professioneller Philosoph wird ihr Urteil nicht nur für erstaunlich arrogant, sondern auch für außerordentlich naiv halten. Wer behauptet, keine Philosophie zu brauchen, neigt am ehesten dazu, sich in philosophischen Fragen zu täuschen. Man ist daher geneigt, schon von vorneherein zu vermuten, dass Mlodinow und Hawking ihre anschließende Darlegung der von ihnen bevorzugten Theorien durch eine Fülle ungeprüfter philosophischer Grundannahmen untermauern werden. Diese Erwartung bestätigt sich dann tatsächlich. Für ihre Behauptungen über die Naturgesetze, die Möglichkeit von Wundern, den wissenschaftlichen Determinismus und die Illusion des freien Willens liefern sie nur eine höchst fadenscheinige Rechtfertigung. Mlodinow und Hawking stecken offensichtlich bis zum Hals mitten in philosophischen Fragen.

Was man vielleicht nicht erwartet ist, dass Hawking und Mlodinow – nachdem sie den Tod der Philosophie verkündet haben – sich anschließend sofort selbst in eine philosophische Diskussion über den wissenschaftlichen Realismus versus den Antirealismus stürzen. Das erste Drittel ihres Buchs handelt überhaupt nicht von aktuellen wissenschaftlichen Theorien, sondern ist eine Abhandlung über die Geschichte und Philosophie der Wissenschaft. Für mich war dieser Abschnitt der interessanteste und verblüffendste des ganzen Buchs. Lassen Sie mich das erklären.

Ich hatte mir einen Montagnachmittag eingeplant, um das Buch von Hawking und Mlodinow zu lesen, und hatte gerade den Vormittag damit verbracht, einen Fachartikel aus dem im Wiley-Blackwell Verlag erschienenen Contemporary Debates in Metaphysics [3] durchzuarbeiten, der sich mit einem philosophischen Standpunkt befasst, der als ontologischer Pluralismus bekannt ist. Der ontologische Pluralismus ist eine Auffassung in einer Teildisziplin der Philosophie, deren Name wie gestottert klingt: Meta-Metaphysik oder, wie sie manchmal genannt wird, Meta-Ontologie. Das ist Philosophie der ätherischsten Art. Ontologie beschäftigt sich mit dem Sein oder dem, was existiert – dem Wesen der Wirklichkeit. Meta-Ontologie geht noch einen Schritt darüber hinaus: Sie fragt, ob ontologische Streitfragen sinnvoll sind und wie man sie am besten lösen kann.

Der ontologische Pluralismus behauptet, dass es eigentlich keine richtige Antwort auf viele ontologische Fragen gibt wie: Existieren zusammengesetzte Objekte? Nach Auffassung des ontologischen Pluralisten gibt es einfach verschiedene Arten, die Wirklichkeit zu beschreiben, und keine davon ist korrekter oder zutreffender als die andere. Es gibt buchstäblich überhaupt keinen faktischen Grund, diese Fragen zu beantworten. Wenn man also fragen würde: „Gibt es so etwas wie den Mond?“, würde der ontologische Pluralist sagen, dass es für diese Frage keine objektive Antwort gibt. Es ist nicht wahr, dass der Mond existiert, und es ist nicht wahr, dass der Mond nicht existiert. Es gibt einfach keinen faktischen Sinn in der Frage, ob es so etwas wie den Mond gibt. Der ontologische Pluralismus ist also eine radikale Auffassung, die von einer Handvoll Philosophen verteidigt wird....

Fortsetzung hier: https://de.reasonablefaith.org/schriften/popularwissenschaftliche-schriften/emder-grosse-entwurf-em-wahrheit-oder-fiktion

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