Können wir ohne Gott gut sein? Zunächst erscheint die Antwort auf diese Frage vielleicht so offensichtlich, dass man Leute verärgert, wenn man sie nur stellt. Denn während die Christen unter uns in Gott eine moralische Kraft finden, die uns hilft, ein besseres Leben zu führen als das, welches wir sonst ohne ihn führen würden, wäre es trotzdem arrogant und nicht sachgemäß, zu behaupten, dass Menschen, die nicht an Gott glauben, meist kein moralisch gutes Leben führen – im Gegenteil, bei so manchen müssen wir uns im Vergleich schämen.
Aber nicht so voreilig! Zwar wäre es arrogant und oft falsch zu behaupten, dass Menschen ohne den Glauben an Gott nicht gut sein können, aber das war nicht die Frage. Die Frage war: Können wir ohne Gott gut sein? Damit stellen wir eine provokante Frage über das Wesen der moralischen Werte. Sind die Werte, die uns lieb und teuer sind und nach denen wir unser Leben gestalten, einfach gesellschaftliche Gepflogenheiten, wie das Fahren auf der rechten Straßenseite anstatt der linken? Und drücken sie lediglich persönliche Vorlieben aus, wie der Geschmack, nach dem man Essen auswählt? Oder sind sie irgendwie allgemeingültig und verbindlich, unabhängig von unserer Meinung, und wenn sie auf diese Art objektiv sind, worauf gründen sie dann? Außerdem: wenn die Moral bloß eine menschliche Konvention ist, warum sollten wir dann moralisch handeln, insbesondere dann, wenn dabei ein Konflikt mit unseren eigenen Interessen entsteht? Oder: werden wir in irgendeiner Weise für unsere moralischen Entscheidungen und Taten zur Verantwortung gezogen?
Heute möchte ich den Standpunkt vertreten, dass die Objektivität moralischer Werte, moralischer Pflichten und moralischer Verantwortlichkeit gesichert ist, wenn Gott existiert; ohne Gott aber, d.h. wenn Gott nicht existiert, ist die Moral nichts anderes als eine menschliche Konvention; mit anderen Worten: die Moral ist ganz und gar subjektiv und unverbindlich. Wir mögen dann genauso handeln, wie wir es jetzt schon tun, aber ohne Gott würden solche Handlungen nicht mehr als gut (oder böse) zählen, denn wenn Gott nicht existiert, existieren objektive moralische Werte und Pflichten auch nicht. Ohne Gott können wir also nicht wahrhaft gut sein. Wenn wir andererseits glauben, dass moralische Werte und Pflichten objektiv sind, liefert uns das moralische Gründe für den Glauben an Gott.
Betrachten wir also die Hypothese, dass Gott existiert. Erstens: wenn Gott existiert, dann existieren objektive moralische Werte. Wenn wir sagen, dass es objektive moralische Werte gibt, dann sagen wir damit, dass etwas gut oder böse ist, unabhängig davon, wies die Leute es beurteilen. Das heißt zum Beispiel, dass der Holocaust objektiv falsch war, auch wenn die Nazis, die ihn ausführten, ihn für richtig hielten, und er wäre immer noch falsch gewesen, wenn die Nazis den Zweiten Weltkrieg gewonnen hätten und es ihnen gelungen wäre, jeden, der nicht ihrer Meinung war, entweder auszulöschen oder einer Gehirnwäsche zu unterziehen.
Gemäß der theistischen Anschauung ist Gott die Basis für objektive moralische Werte. Gottes eigenes und vollkommen gutes Wesen liefert den absoluten Maßstab, an dem alle Handlungen und Entscheidungen gemessen werden. Das moralische Wesen Gottes ist das, was Platon das „Gute“ nannte. Er, Gott, ist Grund und Quelle moralischer Werte. Er ist von seinem Wesen her liebend, großzügig, gerecht,...
Fortsetzung hier: https://de.reasonablefaith.org/schriften/popularwissenschaftliche-schriften/koennen-wir-ohne-gott-gut-sein.