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Es gibt heute zwei konkurrierende Auffassungen der menschlichen Natur

Die selige WissenschaftEvan GarrettThursday, 1/16/2025
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Eine kurze Reise zur Entdeckung der Transzendentalen und eine Diskussion über die zwei gegensätzlichen Auffassungen der menschlichen Natur heute

In diesem kurzen Beitrag machen wir ein kleines Experiment. Zunächst diskutieren wir die Natur persönlicher Ziele und das konsequente Erreichen dieser Ziele. Von dort aus werden wir einige wichtige logische Werkzeuge (wie die gefährliche Frage „Warum?“) verwenden, um etwas tiefer in unser Verständnis über die Realität einzudringen. Los geht‘s!

Handeln wir konsequent mit unseren Zielen?

Was ist für Dich das Wichtigste im Leben? Ist es dein Job? Dein Ehepartner?Deine Kinder oder deine Träume? Wie leiten diese Dinge dein Handeln und deine Entscheidungen, die Du regelmäßig triffst?

Bei der Lektüre einiger griechischer Philosophen wie Aristoteles habe ich letztens viel über meine eigenen Lebensziele nachgedacht und auch darüber, dass, wenn sie wirklich meine Ziele sind, sie mich dazu bringen sollten, viel konsequenter zu verfolgen, als ich es derzeit tue.

Ehrlich gesagt, verschwende ich so viel Zeit mit Dingen, die nichts zu dem beitragen, was mir im Leben wichtig ist. Ich könnte all die Dinge aufzählen, die mich ablenken und von ihnen wegziehen, aber zweifellos kennt Ihr schon einige der Dinge, die ziemlich weit oben auf der Liste stehen. Soziale Medien, Videospiele, das Checken von Notifications ohne Grund, usw. Die Griechen nannten dieses Konzept Akrasie, oder die Schwäche des Willens - die Unfähigkeit, konsequent nach unseren eigenen Zielen und Prinzipien zu handeln.

Doch in den seltenen Phasen meines Lebens, in denen ich wirklich in einen Rhythmus komme, in dem ich meine täglichen und stündlichen Entscheidungen auf die langsame, konsequente Verwirklichung meiner ultimativen Lebensziele ausrichte, geschehen erstaunliche Dinge. Ein Zitat, das ich einmal gehört habe, arbeitet sich jedes Mal tiefer in mein Bewusstsein ein, wenn ich es erlebe: Beständigkeit kann einen gewöhnlichen Menschen in jemanden verwandeln, von dem er nie zu träumen gewagt hätte. Ich bin nicht wirklich überdurchschnittlich gut in irgendetwas. Aber ich habe festgestellt, dass konsequentes Lesen, Laufen oder was auch immer, im Leben Wunder bewirken kann.

Oft hilft es, wenn man sich die Gewohnheit aneignet, sich die Frage zu stellen, "warum mache ich, was ich gerade tue?" Das fast Erschreckende daran ist, dass wir oft keine Antwort darauf haben. In vielen Fällen tun wir es einfach, weil es sich gut anfühlt.

Doch in anderen Fällen haben wir eine Antwort. Ich tippe einen Bericht, um die Aufgaben meines Jobs zu erfüllen, um Geld zu verdienen. Die Marathonläuferin schaut sich Trainingsvideos an, um ihre Laufform zu perfektionieren, um Verletzungen zu vermeiden, um gesund zu bleiben, um erfolgreich an einem Marathon teilzunehmen.

Viele der Dinge, die wir tun, tun wir, um andere Dinge zu erreichen. Ich fahre meine Kinder in den Kindergarten, damit sie dabei sein können, damit sie gut betreut und geformt werden können, usw.

Integrität

Ein integrierter Mensch ist jemand, der sein Handeln von Moment zu Moment mit seinen Zielen und Werten in Einklang bringt - jemand, der Dinge und Versuchungen ausschaltet, die ihn daran hindern, diese Ziele zu erreichen. Das bedeutet nicht, dass Ruhe, Entspannung und Spontaneität keine Rolle spielen, denn natürlich ist es eine Voraussetzung, ausgeruht und entspannt zu sein, um etwas tun zu können. Aber im Allgemeinen werden alle Handlungen auf die Ziele und Werte des eigenen Lebens ausgerichtet. Darin liegt eine unglaubliche Kraft und Bedeutung.

Und diese Art des Denkens - die Frage nach dem Warum hinter unseren Handlungen oder sogar nach dem Warum von Zielen, denen unsere Handlungen untergeordnet sind - kann uns auch dabei helfen zu klären, ob bestimmte Dinge unseren Zielen entsprechend erstrebenswert sind oder ob wir unsere Ziele mit den richtigen Motivationen verfolgen.

Ein paar Beispiele

Der Typ, der sich fragt, warum er gerade Gewichte hebt, wird vielleicht antworten, dass er es tut, um Muskeln aufzubauen, um gesund zu sein. Aber wenn er darüber nachdenkt, merkt er vielleicht auch, dass sein eigentliches Motiv, muskulös zu werden, darin besteht, die Aufmerksamkeit von Frauen zu ziehen.

Dies könnte dazu führen, dass er sich neu orientiert und seine Motivation wirklich darauf richtet, gesund zu sein und nicht nur für Frauen attraktiv zu sein. Das wiederum könnte dazu führen, dass er sich neben dem Gewichtheben mehr auf die allgemeine geistige und spirituelle Gesundheit konzentriert - was für Frauen viel attraktiver wäre als nur muskulös zu sein.

Oder vielleicht ist es das erklärte Ziel eines Unternehmens, "das Leben der Menschen zu verbessern", aber in Wirklichkeit war dies eine nachträgliche Rechtfertigung des Geschäftsplans, der eher um etwas wie “Geld verdienen” ging. Und wenn sie sich wirklich auf ihr erklärtes Endziel konzentrieren würden, könnten sie ihr Produkt zu etwas machen, das den Menschen wirklich nützt, anstatt die üblichen Abkürzungen zu nehmen, um Zeit zu sparen und mehr Geld zu verdienen.

Dem “Warum?” Kaninchenbau folgen 🐰

Wenn man sich aber angewöhnt hat, so zu denken, könnte man vielleicht die Frage nach dem Warum weiterverfolgen. “Warum arbeite ich so hart daran, dieses Fach zu beherrschen?” “Warum will ich in dieses Amt gewählt werden?” “Warum will ich diese oder jene Fähigkeit entwickeln?”

Hier stoßen wir auf die Idee des persönlichen Ultimatums. Das, was der Endpunkt der Warum-Fragen ist, die unser Handeln leiten. Persönliche Ultimaten sind die Dinge, die wir nicht tun, um etwas anderes zu erreichen, sondern die für uns an sich wertvoll sind.

Persönliche Ultimaten sind persönliche Absolutheiten. Um sie zu erreichen, opferst Du andere Güter wie Zeit, Geld, Mühe, Komfort und so weiter. Und idealerweise würden sie nicht für etwas anderes geopfert werden, das kein ultimatives Ziel ist. Für jemanden, der ein Fußballprofi werden will, wäre ein integres Leben zum Beispiel so, dass man dieses Ziel nicht für persönliche Annehmlichkeiten opfert. Er würde seine Lebensentscheidungen darauf ausrichten, dieses Ziel zu erreichen und zu vermeiden, dass er daran scheitert.

Interessant wird es jedoch, wenn wir uns fragen, ob wir unser höchstes Ziel jemals für etwas noch Höheres opfern würden. Sind diese persönlichen Ziele etwas, das für uns, mit den Worten Kants, kategorisch ultimativ ist? Mit anderen Worten, könnten wir jemals rational eine Entscheidung treffen, die diesen Zielen widerspricht?

Natürlich widersprechen wir aufgrund unserer Akrasie ständig unseren Zielen, indem wir unsere Zeit verschwenden und nicht nach unseren Prioritäten handeln. Was ich meine, ist, ob wir jemals vernünftig und mit voller Kontrolle über uns selbst so handeln könnten, dass wir das Erreichen dieser Ziele einem noch kategorisch höheren Ziel opfern? Ich denke, die Antwort darauf ist ja.

Der tugendhafte Fußballprofi Wanna-be

Stell Dir zum Beispiel vor, Du wärst der Typ, der das ultimative Ziel hat, ein professioneller Fußballspieler zu werden. Das ist für Dich das Wichtigste auf der Welt und in deinem Leben. Wenn Du Dir aber vorstellst, dass Du eines Tages am Bahnhof ein kleines Kind siehst, das von einer gefährlichen Person angegriffen wird, und den tiefen Drang verspürst, dein Leben und deine Gesundheit zu riskieren, um das Kind zu retten, tust Du etwas, das deinem persönlichen Endziel im Leben direkt widerspricht.

Es stellt sich dann die Frage, ob das, was Du tust, irrational ist. Vielleicht ist es letztlich völlig grundlos und gefühlsbetont; vielleicht lediglich eine evolutionär angepasste Tendenz, deine eigenen Stammesgene zu bewahren - der Impuls war also da, machte aber vielleicht keine rationale Begründung für Dich aus.

Und doch scheint diese Annahme fragwürdig. Viele von uns können sich der starken Intuition nicht erwehren, dass deine Entscheidung hier nicht nur kein irrationaler Impuls war, sondern in der tat eine tiefere Anerkennung der Realität.

Transzendentales Wissen oder bloßer evolutionärer Impuls?

Tatsächlich sind wir hier an einem Scheideweg zwischen dem neuen, modernen Menschenbild und dem edlen Menschenbild angelangt. Die moderne Sichtweise sieht unsere gesamte Beschaffenheit als Menschen als durch und durch kreatürlich an. Diese reduktionistische Sichtweise sieht den Menschen und das menschliche Handeln nicht nur in gewissem Maße, sondern grundlegend und vollständig unserer Animalität unterworfen. [1]

Nach der moderneren Auffassung werden moralische Werte durch die Praktikabilität der evolutionären Anpassung erzeugt. Das bedeutet, dass unsere moralischen Intuitionen - das Gefühl, dass einige Handlungen oder Handlungsweisen richtig oder falsch sind - keine Grundlage in unwillkürlichen Konzepten wie Gerechtigkeit, Liebe und Nächstenliebe haben. Stattdessen handelt es sich lediglich um Emotionen, also um Gefühle, die auf der gleichen Ebene wie sexuelles Verlangen oder Hunger stehen. Wir erfüllen sie unbewusst, und ausschließlich weil die evolutionäre Ordnung sie in unseren Gehirn eingebaut hat, um unsere Art am Leben zu erhalten.

Die edle menschliche Sichtweise besteht darauf, dass diese Intuitionen, so sehr sie sich auch mit der Animalität und dem Chaos des menschlichen Lebens vermischen mögen, einer Natur entspringen, die wirklich in der Lage ist, objektive Kategorien moralischer Wahrheiten zu erkennen. Der Mensch ist, trotz seiner offensichtlichen Tierhaftigkeit, wie die christliche Sicht behaupten würde, "zu etwas Höherem als dem bloßen Tiersein erhoben". Mit anderen Worten: Unser Verstand ist nicht nur eine praktische Summe von Anpassungen, die uns helfen, das Leben erfolgreich zu meistern, um uns fortzupflanzen, sondern er hat wirklich Zugang, auch wenn nicht perfekt, zur wahren Welt. Und dass einige tiefe Intuitionen, die wir darüber haben, was richtig und was falsch ist, die Stimme des tiefen Seins selbst sind, die uns über unsere Natur zuflüstert- eine Natur, die auch in der Lage ist, sie zu "hören".

Lass uns also weitergehen. Wenn wir mit unserer Intuition bejahen, dass diese Handlung nicht irrational, sondern tatsächlich zutiefst rational war - wenn nicht sogar rationaler als alles andere, was Du in deinem Leben getan hast, was bedeutet das?

Wie kann es sein, dass es das Rationalste für Dich ist, dein Leben zu riskieren und zu opfern, wenn es dein kategorisches Ziel war, Profifußballer zu werden? Das scheint per Definition zutiefst irrational zu sein - es widerspricht deinen Zielen auf ganz offensichtliche und vollständige Weise. Natürlich werden viele von uns hier einfach mit "das machen eben gute Menschen" antworten. Aber genau das ist es, was ich in Frage stelle. Warum tun gute Menschen das? Sind gute Menschen einfach per Definition irrational?

Das Gute, Wahre und Schöne

Ich möchte die Idee vorschlagen, die auch die alten Griechen Philosophen hatten. Unabhängig davon, was wir zu unseren eigenen persönlichen Ultimaten machen, z. B. unseren Job, einen Ehepartner zu finden oder gute Eltern zu sein, gibt es mehrere kategorische Ultimaten, die in unserer Natur verankert sind und die jedes rationale Wesen zwangsläufig wahrnimmt. Diese Ultimaten sind die klassischen Tugenden wie z.B.: Weisheit, Mäßigung, Gerechtigkeit, Liebe und Tapferkeit. Wenn wir uns nicht an diese Tugenden halten, sind wir nicht vernünftig und lassen unsere niedere Natur unsere Vernunft übertönen. Sie sind, wenn man so will, das Gute, Wahre und Schöne. Und das menschliche Leben gedeiht nur, wenn es diese als die kategorisch höchsten Ziele des menschlichen Lebens anerkennt.

Du kannst sie überall sehen. Wenn mein höchstes Ziel darin besteht, ein erfolgreicher Fußballprofi zu werden, und keine anderen kategorischen Ziele über diesem Ziel stehen, dann könnte ich lügen, betrügen, töten und morden, um dieses Ziel zu erreichen, und wäre trotzdem völlig rational. Aber niemand von uns glaubt, dass dies wirklich gute Dinge sind, und wir vermuten auch zutiefst, dass diejenigen, die sich einem solchen Lebensstil hingeben, durch ihre Entscheidungen etwas Grundlegendes an der Realität verleugnen.

Der griechische Philosoph Aristoteles argumentierte, dass, wenn das höchste Gut im menschlichen Leben nur deshalb gut ist, weil es begehrt wird, wie es uns die moderne Weltanschauung vorschlägt, dies bedeuten würde, dass alles, was ein Menschen möchte, gut ist- auch wenn die moderne Welt diese Folgerung nicht sieht oder anerkennen will. Betrug, Diebstahl, zwanghaftes Lügen, Süchte usw. wären alle gut, nur weil sie uns helfen, das zu erreichen, was wir wollen.

Vielmehr ist das höchste Gut nach den Griechen wie Aristoteles objektiv und völlig unabhängig davon, was wir wollen. Aber wir werden zu guten Menschen, wenn wir unsere Wünsche, unseren Verstand, unser Herz und unser Leben so anpassen, dass sie das Wahre, Gute und Schöne widerspiegeln. Manche würden sagen, wenn wir uns durch die Betrachtung des höchsten Gutes verwandeln lassen.

Einwände

Das ist nur eine kurze Skizze einer Einführung in das Leben der Tugend, und natürlich gibt es noch viele weitere Dinge, die man diskutieren könnte. Man könnte zum Beispiel als Einwand darauf hinweisen, dass wir ständig unsere Ressourcen für Dinge opfern, die nicht mit unseren eigentlichen Zielen übereinstimmen. Stell Dir jemanden vor, der auf seinen Traumjob hinarbeitet, aber Kinder hat. Wenn er Kinder hätte, würde er trotzdem seine Zeit und Ressourcen opfern, um sich um seine Kinder zu kümmern, und das würde nicht irgendwie zeigen, dass Gerechtigkeit eine immanente Eigenschaft der menschlichen Vernunft ist. Denn schließlich sind seine Kinder keine abstrakten Endwerte, sondern Kinder.

Naturrecht

Die Antwort ist natürlich, dass dies die tugendhafte Verpflichtung, sich um seine eigenen Kinder zu kümmern, mit den Kindern selbst vermengt. Man engagiert sich nicht für seine Kinder, nur weil sie Menschen sind; sonst wäre man persönlich verpflichtet, sich um alle Kinder zu kümmern, nur weil sie Menschen sind. Man kümmert sich auch nicht um sie, weil man sie einfach gern hat, denn dann würde man diese Grundlage verlieren, wenn man sie nicht mehr gern hat. Vielmehr ist es eine Art Verpflichtung, die sich aus der Situation des Lebens ergibt. Eltern eines Kindes zu sein, bedeutet, für dessen Leben verantwortlich zu sein, und deshalb gibt es eine Art natürliche Gerechtigkeit, die man Naturrecht nennt und die uns ganz intuitiv klar macht, dass man, um der Realität sozusagen gerecht zu werden, dazu verpflichtet ist, für seine Kinder zu sorgen. Das Naturrecht drückt aus, wie Gerechtigkeit in verschiedenen Situationen aussehen kann.

Tatsächlich ist gerade die Tatsache, dass er sich um seine Kinder kümmert, nicht nur weil er Lust dazu hat, sondern weil es das Richtige ist und weil es ihn zu einem moralisch schlechten Menschen machen würde, wenn er es nicht tut, bezeichnend. Das verdeutlicht nur, dass wir viele unserer Aufgaben im Leben im Dienste des Guten und der Tugend erfüllen und nicht nur im Dienste unseres eigenen subjektiven Vergnügens. Andernfalls, um auf das Beispiel zurückzukommen, wären Kinder nur ein subjektives Lieblingsprojekt, das wir genauso leicht aufgeben könnten, wenn wir das Interesse verlieren.

Zum Schluss

In Wirklichkeit liegen also vielen unserer Entscheidungen im Leben eine implizite Anerkennung des Wahren, Guten und Schönen zugrunde. Die Frage ist, worauf das alles hinausläuft. Warum sind wir so, wie wir sind? Ist es möglich, diese Tugenden weniger in negativer Form zu erleben, d.h. "ich bin verpflichtet, sie zu befolgen" oder "ich darf x, y oder z nicht tun", sondern stattdessen völlige Freude an ihnen zu haben? Gibt es eine Art reine Erfahrung des Seins und der Güte, die es uns ermöglicht, die Fülle dieser Tugenden in uns selbst zu haben und werden?

[1] Für eine (viel) tiefere Diskussion dieses Themas, siehe das Buch "Platonism and Naturalism" von Lloyd P. Gerson. Sein These ist, dass die Leugnung der platonischen Grundannahme, dass die menschliche Natur Zugang zu abstraktem Wissen wie Formen und Satzinhalten hat, das gesamte menschliche Wissen untergräbt - nicht nur das moralische, sondern auch das der natürlichen und metaphysischen Welt.

Mit Genehmigung von Die selige Wissenschaft verwendet.