Header Image

Die Historizität des leeren Grabes Jesu

Reasonable FaithWilliam Lane CraigSunday, 2/20/2022
48 Min.
Tags:
Description

Eine Untersuchung von paulinischen und Evangelientexten führt zu acht Indiziensträngen, die für die Schlussfolgerung sprechen, dass das Grab Jesu leer vorgefunden wurde.

Es ist noch nicht so lange her, da betrachteten die meisten Theologen das leere Grab als Zumutung für den Verstand des modernen Menschen und als Peinlichkeit für den christlichen Glauben – als Zumutung, weil es ein Wunder impliziert, das der Wiederbelebung eines Leichnams gleichkommt, und als Peinlichkeit, weil es trotzdem fast untrennbar mit der Auferstehung Jesu, die das Zentrum des christlichen Glaubens bildet, verbunden ist. Doch in den letzten Jahren scheint hier ein höchst bemerkenswertes Umdenken stattgefunden zu haben, und der Skeptizismus, der für frühere Behandlungen dieses Themas so typisch war, scheint einen raschen Rückzug angetreten zu haben. [2] Auch wenn es nach wie vor Theologen gibt, die mit Bultmann insistieren, dass die Auferstehung kein historisches Ereignis ist, [3] wird diese in den Evangelien eindeutig als solches dargestellt, und eine der Manifestationen dieses Ereignisses war, dass das Grab Jesu am ersten Tag der Woche von mehreren seiner Jüngerinnen angeblich leer vorgefunden wurde. Zumindest diese Tatsache ist also im Prinzip historisch verifizierbar. Aber wie glaubwürdig sind die Indizien für die Historizität des leeren Grabes Jesu?

Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns eine der ältesten im Neuen Testament enthaltenen Überlieferungen über die Auferstehung anschauen. In seinem 1. Brief an die Korinther (56-57 n. Chr.) zitiert Paulus eine christliche Bekenntnisformel (1. Korinther 15,3b-5), die damals offensichtlich bereits alt war, wie man an ihren nichtpaulinischen und semitischen Eigenheiten sehen kann. [4] Die Tatsache, dass die Formel laut Paulus den Inhalt der frühsten apostolischen Predigt zusammenfasst (1. Korinther 15,11) – eine Tatsache, die durch die Übereinstimmung mit den von Lukas in Apostelgeschichte 5 wiedergegebenen Predigten bestätigt wird –, [5] deutet stark darauf hin, dass die Formel in der Jerusalemer Gemeinde entstand. Wir wissen von Paulus selber, dass er drei Jahre nach seiner Bekehrung (33-35 n. Chr.) in Damaskus Jerusalem besuchte, wo er Petrus und Jakobus persönlich kennen lernte (Galater 1,18-19). Die Formel dürfte er in Damaskus kennen gelernt haben, vielleicht in der christlichen Katechese. Es ist unwahrscheinlich, dass er sie erst nach seinem Besuch in Jerusalem kennen lernte, denn er dürfte wohl kaum persönliche Informationen von den Lippen des Petrus oder Jakobus durch eine Formel ersetzt haben. [6] Die Formel ist folglich wahrscheinlich sehr alt und dürfte auf die ersten fünf Jahre nach der Kreuzigung Jesu zurückgehen. Im griechischen Urtext lautet sie:

… hoti Christos apethanen huper ton hamartion hemon kata tas graphas,kai hoti etaphe,kai hoti egegertai te hemera te trite kate tas graphas,kai hoti ophthe Kepha, eita tois dodeka.

Bezeugt diese Formel die Tatsache des leeren Grabes Jesu? Hier müssen wir mehrere Fragen sorgfältig auseinanderhalten: (1) Akzeptiert Paulus das leere Grab? – (2) Erwähnt er das leere Grab? Es ist klar, dass (1) nicht automatisch (2) impliziert, sehr wohl aber (2) (1). Oder, mit anderen Worten: Dass Paulus das leere Grab nicht erwähnt, bedeutet nicht, dass er nicht an das leere Grab geglaubt hat. Zu viele Neutestamentler sind Opfer des Bultmann’schen Trugschlusses geworden, der da lautet: „Legenden sind die Geschichten vom leeren Grab, von dem Paulus noch nichts wusste.“ [7] Paulus‘ Zitat der Einsetzungsworte Jesu beim Abendmahl (1. Korinther 11,23-36) zeigen, dass ihm...

Fortsetzung hier: https://de.reasonablefaith.org/schriften/wissenschaftliche-schriften/die-historizitaet-des-leeren-grabes-jesu.

Verwendet mit Genehmigung von Reasonable Faith.