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Die Existenz Gottes: eine Sache des Glaubens?

Die selige WissenschaftEvan GarrettThursday, 4/10/2025
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Summa Theologiae I, q. 2, a. 2

Ist der Glaube an Gott eine Sache des Glaubens?

Nun ja, manchmal ist im Deutschen die Unterscheidung zwischen Glaube im Sinne von Vertrauen einer zuverlässigen Autorität und lediglich Überzeugung unklar. Daher könnte die eigentliche Frage dieses Beitrags mit einem Verweis auf das Englische verdeutlicht werden: “Faith” (Glaube) oder “Belief” (Überzeugung). Ist die Existenz Gottes etwas, das wir durch "Faith" (Glaube) akzeptieren?

Für den hl. Thomas von Aquin ist die Existenz Gottes keine Selbstverständlichkeit. Denn wenn sie selbstverständlich wäre, könnte der Gedanke, dass Gott nicht existiert, nicht einmal kohärent gedacht werden, was eindeutig nicht der Fall ist.

Doch die Existenz Gottes ist grundsätzlich keine Frage des Glaubens (Faith). Denn der Glaube im christlichen Verständnis ist das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit dessen, was eine göttliche Autorität offenbart.

Die Existenz Gottes z.B. auf der Grundlage der Autorität der Kirche oder der Heiligen Schrift zu akzeptieren, wäre ein Zirkelschluss und unvernünftig. Wie könnte man die Autorität der Kirche akzeptieren, ohne an Gott zu glauben, wenn nicht dadurch, dass man der Kirche eine Art natürliche Autorität als Ausdruck des menschlichen Geistes zuschreibt? Auf diesem Weg gäbe es erhebliche Probleme. Denn das, was die Kirche bezeugt und als Autorität legitimiert, ist nicht in erster Linie eine Art menschlicher Urweisheit (obgleich diese auch keineswegs in der Kirche abwesend ist), sondern die Selbstoffenbarung Gottes.

Hier zeigt sich ein zentraler Punkt, den es zu betonen gilt: Gerade heute, in einer Zeit, in der die Skepsis gegenüber Gott und Religion allgegenwärtig ist (aber erfreulicherweise z.T. langsam nachlässt) kann man sich dem Wesen der Kirche nicht nähern oder analysieren, ohne sich zuvor mit der Frage nach Gott auseinandergesetzt zu haben. Man hat den Eindruck, dass die Kirche, auch unter ihren regelmäßigen Besuchern, oft in erster Linie als eine von Grund auf menschliche Organisation betrachtet wird - sei es im positiven oder im negativen Sinne.

Doch aus der Lehre der Kirche selbst geht eines unweigerlich hervor: Die Kirche ist eine göttlich geoffenbarte und geleitete Institution. Um es in aristotelischen Begriffen auszudrücken: Die Kirche und die heilige Schrift haben als materielle Konstituente den Menschen und das menschliche Handeln, aber als formale Natur die göttliche Offenbarung. Gott offenbart sich instrumentell durch Menschen, aber weder die Kirche noch die Bibel lassen sich auf einen rein menschlichen Akt reduzieren. Wenn es Gott nicht gibt, dann hat die Kirche keine wirkliche Autorität.

Thomas lehrte, dass der Glaube an die Existenz Gottes nicht eine Sache des Glaubens, sondern eine Voraussetzung für diesen. Dies ist auch wie angedeutet unvermeidlich. Ich kann von einer göttlichen Autorität nicht akzeptieren, dass sie existiert, bevor ich glaube, dass sie existiert. Die Existenz Gottes kann jedoch Thomas zufolge mit der natürlichen Vernunft bewiesen werden.

Auch wenn es in diesem Artikel nicht darum geht, eine Reihe von Argumenten für die Richtigkeit von Thomas’ Position anzuführen, so ist doch ein Punkt erwähnenswert: Während es zwischen dem späten 19. und der Mitte des 20. Jahrhunderts intellektueller Konsens war, dass es mit Sicherheit keinen Gott gibt, haben sich die Dinge in dieser Hinsicht seit den 1970er Jahren deutlich verändert, als die essentialistische Revolution durch Paul Kripkes Modalanalyse sowie die vollmundige Verteidigung des Theismus durch Alvin Plantinga, Swinburne und viele andere Philosophen auf den höchsten Ebenen der analytischen Philosophie begann. Die Existenz Gottes ist wieder intellektuell respektabel geworden, zumindest in den Bereichen der analytischen und angelsächsischen Philosophie. Man könnte sagen, dass die Position des heiligen Thomas sich als zeitlos gültig erwiesen hat.

Die Existenz Gottes ist mit der menschlichen Vernunft beweisbar. Das ist ein wichtiger Punkt: Der übernatürliche Glaube ersetzt, verunglimpft oder zerstört nicht, sondern setzt die natürliche Vernunft voraus, so wie die übernatürliche Gnade die Natur nicht zerstört, sondern vervollkommnet. Die menschliche Vernunft ist, auch wenn sie korrumpierbar ist, von Grund auf gut, und wir sind mit der Finalursache geschaffen, wirklich an einem Verständnis der wahren Welt teilzuhaben. Die Vorstellung, dass die menschliche Vernunft von Grund auf böse und unzuverlässig sei – wie es Luther und seine Anhänger (u.a.) lehrten –, ist nicht nur theologisch falsch. Sie hat auch verheerende Konsequenzen für unsere Fähigkeit, überhaupt etwas zu wissen, und für die Frage nach der Existenz Gottes.

Die moderne Vorstellung vom Übernatürlichen als einer Art überlegenem Ersatz für das Natürliche ist zutiefst unchristlich. Denn das Übernatürliche ersetzt das Natürliche nicht, sondern erhebt es und macht es wahrhaftig zu sich selbst.

Diese Überlegungen stützen sich auf die Summa theologiae von St. Thomas: ST I, q. 2, a. 2

Mit Genehmigung von Die selige Wissenschaft verwendet.