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Das kalam kosmologische Argument

Reasonable FaithWilliam Lane CraigThursday, 1/27/2022
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Was heißt es, wenn das Universum einen Anfang hat?

Als Junge staunte ich über das Universum. Ich fragte mich, wo es herkam. Hatte es einen Anfang? Ich erinnere mich, dass ich nachts im Bett lag und versuchte, mir ein Universum ohne Anfang vorzustellen. Dann wäre jedem Ereignis ein anderes Ereignis vorausgegangen, immer weiter zurück in die Vergangenheit, ohne Ende – oder, genauer gesagt, ohne Anfang. Eine unendliche Vergangenheit ohne Anfang. Bei diesem Gedanken drehte sich alles in meinem Kopf. Es schien mir einfach unvorstellbar. An irgendeinem Punkt muss es einen Anfang gegeben haben, dachte ich mir, damit alles beginnen konnte.

Ich hätte damals nicht gedacht, dass die Menschen schon seit Jahrhunderten, ja eher Jahrtausenden, mit dieser Vorstellung einer unendlichen Vergangenheit und der Frage, ob es einen absoluten Anfang gab, gerungen hatten. Einige griechische Philosophen der Antike glaubten, dass Materie notwendig existiert, nicht erschaffen ist, und deshalb ewig ist. Gott mochte verantwortlich dafür sein, Ordnung in den Kosmos gebracht zu haben, doch das Universum selbst habe er nicht geschaffen.

Dies stand im Gegensatz zu jener Ansicht, die die Juden in dieser Angelegenheit noch früher in der Weltgeschichte vertraten. Hebräische Schreiber waren der Meinung, dass das Universum nicht schon immer existierte, sondern zu einem bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit von Gott erschaffen wurde. Das besagt auch der erste Vers der jüdischen Heiligen Schrift: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde“ (1. Mo 1,1).

Schließlich begannen diese beiden konkurrierenden Traditionen zu interagieren. Innerhalb der westlichen Philosophie kam es zu einer weit über tausend Jahre andauernden Debatte über die Frage, ob das Universum einen Anfang hat. Diese Debatte wurde unter Juden, Muslimen und sowohl katholischen als auch protestantischen Christen ausgetragen. Letztendlich stolperte sie durch die Gedanken des großen deutschen Philosophen des 18. Jahrhunderts, Immanuel Kant, in eine Art ergebnisloses Finale hinein. Dieser vertrat ironischerweise die These, dass es rational zwingende Argumente für beide Seiten gebe, und offenbarte dadurch den Bankrott der Vernunft selbst!

Ich bin erst nach meinem Universitätsabschluss zum ersten Mal auf diese Debatte aufmerksam geworden. Da ich mich mit dieser Frage auseinandersetzen wollte, entschied ich mich, nach meiner Master-Arbeit in Philosophie jemanden zu suchen, der der Gutachter einer Doktorarbeit über diese Frage sein wollte. Prof. John Hick an der Universität von Birmingham stand ganz oben auf der Liste. Wir kamen dann auch nach Birmingham, und ich habe dann auch unter Prof. Hicks Leitung über das kosmologische Argument promoviert, und daraus resultierten letzten Endes noch drei Bücher. Ich konnte die historischen Wurzeln dieses Argument erforschen sowie seine Analyse vertiefen und weiterführen. Ich entdeckte außerdem erstaunliche Verbindungen zur modernen Astronomie und Kosmologie.

Wegen seiner geschichtlichen Wurzeln in der islamischen Theologie nannte ich das Argument „das kalam-kosmologische Argument“ (kalam ist das arabische Wort für mittelalterliche Theologie). Heute ist dieses Argument, das nach Immanuel Kant größtenteils in Vergessenheit geraten war, wieder im Rampenlicht. In der 2007er-Auflage berichtet der Cambridge Companion to Atheism [1]: „Eine Zählung der Artikel in Philosophie-Fachzeitschriften hat ergeben, dass über kein zeitgenössisches Argument irgendeines Philosophen für die Existenz Gottes mehr Artikel veröffentlicht wurden als über Craigs Verteidigung des Kalam-Argumentes (...) Theisten wie Atheisten können beide ,ihre Finger nicht davon lassen‘“ (S. 183).

Fortsetzung hier: https://de.reasonablefaith.org/schriften/popularwissenschaftliche-schriften/das-emkalam-em-kosmologische-argument.

Verwendet mit Genehmigung von Reasonable Faith.